Von Bildern und Biografien: Geschlechterpolitik in (extrem) rechten Social-Media-Accounts

Wie und warum präsentieren Menschen ihre geschlechterpolitisch konservativen bis (extrem) rechten Positionen in sozialen Medien? Was hat das mit ihrer Biografie zu tun? Und warum ist es so interessant und wichtig, diesen Zusammenhang zu erforschen? Diesen Fragen widmen wir uns im folgenden Artikel.

Geschlechterbilder auf Social Media – von konservativ bis (extrem) rechts

Täglich begegnen uns beim Scrollen und Wischen durch soziale Medien wie Instagram, TikTok und X verschiedene Figuren. Beispielsweise sehen wir Bilder meist junger Frauen im Blumenkleid mit kunstvoll geflochtenem Haar, wie sie in ästhetisch inszenierten Küchen kochen oder backen. Diese Frauen, die sich selbst als TradWives (traditionelle Hausfrauen) bezeichnen, präsentieren konservative geschlechterpolitische Positionen, begleitet von Hashtags wie #weiblich, #traditionell und #femininstattfeminismus. Eine Kachel weiter zeigt sich ein junger Mann, der seine sportlichen Erfolge im Fitnessstudio in Szene setzt und dies als Ideal ‚wahrer‘ und ,wehrhafter‘ Männlichkeit präsentiert. Scrollen wir weiter, stoßen wir auf die Bilder einer politischen Aktivistin, die Plakate gegen das Selbstbestimmungsgesetz hochhält oder in einem nächsten Post sexualisierte Übergriffe als alleiniges Problem vermeintlich nicht-deutscher Männer thematisiert. Wechseln wir auf TikTok, wird uns ein Account empfohlen, der einen Zusammenschnitt verschiedener Fotos traditioneller Frauen aus der Kaiserzeit mit Technobeats unterlegt. Unter dem Hashtag „1161“ (Anti-Antifa) zeigt sich eine rebellische Frau, die mit Nachdruck rechte Positionen vertritt, Rockmusik hört, Fußballfan ist und gleichzeitig eine konservative Geschlechterpolitik unterstützt.

Diese Beobachtungen nehmen wir zum Ausgangspunkt und fragen uns: Was versteht eine TradWife unter Traditionalität? Warum nimmt ein Jugendlicher positiv Bezug auf die Kaiserzeit? Was bewegt den jungen Mann, die TradWife, aber auch die rechte Rebellin, sich in den sozialen Medien zu zeigen, und welche Funktion erfüllt dies für sie? Inwiefern spielen gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse in diesem Verständnis eine Rolle? Wie ist die Person aufgewachsen? Ist die TradWife mit einer traditionellen Lebensweise groß geworden? Welche Geschichte steckt dahinter, dass Männlichkeit und Sport für den rechten Fitnessfan eine so wichtige Rolle in seiner Selbstpräsentation spielen? Hat der politische Aktivismus in den Familien bereits Tradition? Oder haben bestimmte Lebensereignisse dazu geführt, sich für eine traditionelle Lebensweise zu entscheiden oder politisch zu engagieren?

Diesen Fragen widmen wir uns in unserer Forschung. Wir möchten herausfinden, welche Rolle die geschlechterpolitische Positionierung in der Selbstpräsentation spielt, und fragen nach der Bedeutung von lebensgeschichtlichen Ereignissen und gesellschaftlichen Wissensbeständen. Außerdem versuchen wir zu verstehen, wie und aus welchen Gründen Männer und Frauen verschiedenen Alters an die geschlechterpolitischen Angebote der (extremen) Rechten anknüpfen und sie nach außen präsentieren. Unser Erkenntnisinteresse zielt also darauf ab, das Verhältnis zwischen den Präsentationen auf den Social-Media-Plattformen, den biografischen und familiengeschichtlichen sowie gesellschaftlichen Hintergründen zu untersuchen und zu verstehen.

 

Zwischen Tradition und Rebellion – Was wir bisher über (extrem) rechte Geschlechterbilder in den sozialen Medien wissen

Vorstellungen von Geschlecht, Gender und Geschlechterordnung sind als Themen in den sozialen Medien sehr präsent. TikTok, Instagram, aber auch YouTube und Facebook bieten eine Plattform, in der progressive Geschlechterbilder und Vorstellungen eines liberalen Geschlechterverhältnisses buchstäblich ein Gesicht bekommen. Gleichzeitig finden sich viele Beispiele, die versuchen, eine Gegenposition zu etablieren. Vielfältigen Lebensformen und Geschlechtervorstellungen werden auf strikte Zweigeschlechtlichkeit ausgerichtete Perspektiven entgegengestellt. In den sozialen Medien ist es möglich, plakative Geschlechterrollen zu inszenieren und Widersprüche der eigenen Selbstpräsentation zu glätten. Dies passt zur Vorstellung eines Geschlechterverhältnisses, in der Widersprüchlichkeit – zumindest vordergründig – keinen Platz hat. Die Plattformen selbst, wie Instagram und TikTok, sind dabei hervorragend geeignet, um visuelle und vereinfachte Botschaften zu verbreiten, die auf eindeutige traditionelle Geschlechterrollen zurückgreifen.

In den sozialen Medien kommt es zu einer Vermischung von geschlechterpolitischen Positionen und visueller Selbstpräsentation. Ein Beispiel hierfür ist das Phänomen der „TradWife“, das sich gut in die ästhetischen und inhaltlichen Logiken von Instagram und TikTok einfügt. Dieser Trend erhebt die traditionelle Hausfrauenrolle in den sozialen Medien zur idealisierten Lebensweise und bietet gleichzeitig eine ästhetische Aufwertung von Care-Arbeit (Leidig, 2023; Rösch, 2023). Dabei wird Care-Arbeit nicht nur als wertvolle, sondern auch als würdige und erstrebenswerte Tätigkeit inszeniert. Diese Anpreisung traditioneller Rollenmodelle versuchen wir vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen zu verstehen. Der Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen ermöglicht uns etwa ein Verständnis davon, wie die normative Erwartung an Frauen, Familie und Beruf miteinander zu vereinen, ein Spannungsfeld kreiert. Die Rückbesinnung auf ein re-traditionalisiertes Frauenbild wird als Lösung für diese Spannungen präsentiert (Lang & Reusch, 2022). TradWives sind nicht nicht per se politisch rechts, bieten jedoch in ihrem Frauenbild Anknüpfungspunkte für (extrem) rechte Narrative.

Doch bietet nicht nur das klassische „Heimchen-am-Herd“-Ideal eine Schablone für das Ineinandergreifen (extrem) rechter geschlechterpolitischer Positionierung und Selbstpräsentation in den sozialen Medien. Wie wir bereits aus den Arbeiten der 1990er Jahre wissen (z.B. Birsl, 1994; Bitzan, 2000), sind die Geschlechter- und insbesondere Frauenbilder in der (extremen) Rechten heterogen. Dieser Befund wird durch aktuelle Arbeiten zu extrem rechten Geschlechterbildern bestätigt: Im Netz treten neben dem „anständigen Mädchen“ die „selbstbewusste Rebellin“ (Haas, 2020) oder auch nicht-heterosexuelle Akteur*innen (Degen, 2024) aufs Tableau.

Nicht unerwähnt sollen auch Männlichkeitsinszenierungen bleiben. Eine Rückbesinnung auf vermeintlich traditionelle männliche Ideale bietet hier ebenfalls eine Antwort auf bestehende Krisen (Sauer & Penz 2023, S. 80). Die Performanz einer soldatischen Männlichkeit etwa kann als Angebot einer „Resouveränisierung von Männlichkeit“ (ebd.) betrachtet werden. Ein Beispiel hierfür sind Fitnessblogger, die sich als antifeministisch positionieren.

Die Geschlechterbilder (extrem) rechter und konservativer Akteur*innen und das visuelle Erscheinungsbild in den sozialen Medien sind sehr unterschiedlich, und doch besteht zwischen allen eine Gemeinsamkeit: eine regressive geschlechterpolitische Positionierung. Im Kern beinhaltet diese die Ablehnung emanzipatorisch-feministischer Ideale, als Symbol liberaler Gesellschaften.

In der bisherigen Forschung wurden insbesondere Social-Media-Auftritte von Personen analysiert, die eine zentrale Sprecher*innenrolle innerhalb der organisierten Rechten einnehmen. Unsere ersten Erfahrungen im Feld zeigen jedoch, dass zahlreiche andere Accounts ihre (extrem) rechten geschlechterpolitischen Positionen in den sozialen Medien kundtun. Diese sind zentraler Bestandteil des Diskurses über die Frage nach der Ausgestaltung des Geschlechterverhältnisses. Auf den Social-Media-Plattformen können wir beobachten, dass sich die Massen auch unabhängig von einzelnen Führungsfiguren selbst radikalisieren (Fielitz & Marcks 2020, S. 36). Genau hier versuchen wir mit unserer Forschung anzusetzen.

 

Die biografische Perspektive: Mehr als nur ein Einzelfall

Indem wir uns den Biografien der Personen zuwenden, widmen wir uns der Perspektive der Handelnden und können ihr Handeln ursächlich in seinem Entstehungs- und Wandlungsprozess verstehen (Köttig, 2004, S. 61; Weber, 1992). Auf diese Weise nähern wir uns etwa der Frage, warum eine junge Frau rechte geschlechterpolitische Positionen vertritt und in Form eines TradWife-Instagram-Auftritts nach außen präsentiert. Biografien befinden sich an der Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft und zeigen sowohl die individuellen Erfahrungs- und Erlebniswelten als auch soziale Wirklichkeit und gesellschaftlich angebotene Muster und wie sich Menschen in dieser sozialen Wirklichkeit orientieren (Rosenthal, 1995, S. 13). Besonders sichtbar wird das Wechselverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft etwa in Bezug auf das Thema Geschlecht. Die Art und Weise, wie Menschen ihre geschlechterpolitische Haltung nach außen präsentieren und wie ihre Handlungen dadurch strukturiert werden, ist eng mit gesellschaftlichen, soziokulturellen und soziohistorischen Normen und Wissensbeständen in Bezug auf Geschlecht verknüpft. Somit kann die Biografie über die Einzigartigkeit des Einzelfalls hinausweisen: Handelnde Menschen stehen der Welt nicht bloß gegenüber und reagieren auf sie, sie erzeugen soziale Wirklichkeit und strukturieren so die Gesellschaft, in der sie leben (Alheit, 2005; Rosenthal, 2015, S. 15).

Auf diese Weise können wir ein Verständnis (extrem) rechter geschlechterpolitischer Positionierungen entwickeln, das darauf hinweist, dass diese nicht in einem gesellschaftlichen Außen stattfinden, sondern auf bestehende gesamtgesellschaftliche Wissensbestände zurückgreifen. Durch die aktive Nutzung bekannter Narrative und Bilder sprechen rechte Akteur*innen biografische Handlungs- und Deutungsmuster an und machen ihre Politiken und Ideologie weltanschaulich anschlussfähig. So geben sie nicht selten vermeintlich einfache Antworten auf Unzufriedenheiten und Ängste, die in der komplexen Verknüpfung von gesellschaftlichen Entwicklungen und biografischen Erfahrungen entstehen, wie etwa den angesprochenen normativen Erwartungen an Frauen (Löwenthal, 2017, S. 25ff). Dies ermöglicht auch eine Perspektive für Intervention. Insgesamt lässt sich festhalten, dass wir nur dann Maßnahmen entwickeln können, die dabei helfen, rechtsextreme Handlungs- und Orientierungsmuster aufzugeben und Gegenstrategien zu entwickeln, wenn wir die Entstehungsgeschichte dieser Muster verstehen (Köttig, 2008).

Literatur

Alheit, P. (2005). Biographie und Mentalität: Spuren des Kollektiven im Individuellen. In B. Völter et al. (Hrsg.), Biographieforschung im Diskurs. (S. 21–45). VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Birsl, U. (1994). Rechtsextremismus männlich-weiblich? Eine Fallstudie (Art.). Leske + Budrich.

Bitzan, R. (2000). Selbstbilder rechter Frauen. Zwischen Antisexismus und völkischem Denken. edition diskord.

Fielitz, M. & Marcks, H. (2020). Digitaler Faschismus. Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus. Dudenverlag.

Degen, K. (2024). Flexible Normalität – Über die fragile Zugehörigkeit von cis Frauen und LSBTI-Personen zur extremen Rechte. transcript.

Haas, J. (2020). »Anständige Mädchen« und »selbstbewusste Rebellinen«. Aktuelle Selbstbilder identitärer Frauen. Marta Press.

Köttig, M. (2004). Lebensgeschichten rechtsextrem orientierter Mädchen und junger Frauen. Biographische Verläufe im Kontext der Familien- und Gruppendynamik. Psychosozial.

Köttig, M. (2008). Der biographische Ansatz in der Einzelfallhilfe mit rechtsextrem orientierten Mädchen und jungen Frauen [30 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 9(1), Art. 2. www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/319

Leidig, E. (2023). The Women of the Far Right. Social Media Influencers and Online Radicalization. Columbia Unitersity Press.

Löwenthal, L. (2017). Falsche Propheten. Studien zum Autoritarismus. Schriften 3. (2. Aufl., Bd. 3). Frankfurt a.M. Suhrkamp. 

Rosenthal, G. (1995). Erzählte und erlebte Lebensgeschichte. Gestalt und Struktur biographischer Selbstbeschreibungen. Campus.

Rosenthal, G. (2015). Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung. (5. Aufl.). Beltz Juventa.

Rösch, V. (2023). Heimatromantik und rechter Lifestyle. Die rechte Influencerin zwischen Self-Branding und ideologischem Traditionalismus. GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 15(2), 25-40. https://www.budrich-journals.de/index.php/gender/article/view/41966/35882

Sauer, B. & Penz, O. (2023). Konjunktur der Männlichkeit. Affektive Strategien der autoritären Rechten. Campus.

Weber, M. (1922). Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. J.C.B. Mohr.